In aller Munde: Dein Pferd, dein Partner, Partnerschaft entwickeln, eine Partnerschaft auf Augenhöhe, als Partner mit dem Pferd agieren, unendlich viele Variationen und Wortkombinationen finden wir in den Printmedien und Social Media. Aber wenn man auf den Reitplatz schaut: Was sehen wir dort? Wie wird diese Partnerschaft gelebt? Sehr plastisch sehen wir im Umgang oft ganz andere Bilder. Schauen wir in die Augen des trainierten Tieres, verraten uns diese traurige Gefühle, Ohnmacht oder Unverständnis, vielleicht auch Wut. Den Menschen sieht man an den Augen an, dass es  in den meisten Fällen darum geht, die Kontrolle zu behalten. Kommunikation bleibt auf der Strecke, übrig geblieben sind nur Befehle, als „Hilfen“ getarnt. Diese haben längst die Qualität „Hilfe zur Kommunikation“ verloren – nach dem Motto: „Wenn du nicht tust was ich will, dann werde ich dir helfen!“  Die Angst vor Kontrollverlust führt dazu, dass die Reit-Ausrüstungsindustrie unglaubliche Umsätze macht. Ist diese Phobie nicht völlig deplatziert im Umgang mit einem Pferd, dass ein Partner werden soll? Ängste sichern das Überleben –  sie zählen auch zum Urverhalten der Pferde und sind bis heute erhalten geblieben. Aber soll das „geliebte“ Tier bei und mit uns einfach nur überleben?

Wenn wir in die Rolle des Pferdes schlüpfen, wie erleben wir dann das menschliche Verhalten?          
-Du bleibst nicht stehen => man zwingt Dich rückwärts, rückwärts, rückwärts...                                                                           
-Du lässt dich mit der harten Bürste nicht putzen und zappelst => du wirst kürzer angebunden
-Du machst nicht schneller => Du bekommst einen Klaps auf den Po

Die Liste lässt sich ewig fortführen. Das Pferd zeigt ein aus Sicht des Menschen unerwünschtes Verhalten, das vom Pferdemensch auf verschiedenste Art bestraft oder unterbunden wird, oder?

Der Gedanke „Sei das Leittier, habe Macht über dein Pferd!“, wird seit über 30 Jahren ebenso in unser Gehirn gesetzt wie „Sei der Chef, wie steht es um deine Dominanz?“  Aber ist das pferdisch, verhalten sich Pferde in ihrer Pferdegemeinschaft so? Haben unsere Pferde in ihrer Herde nur Alphatiere, oder anders gefragt: haben sie nur eine gute Beziehung zu ihrem Alphatier? In welchen Bereichen entstehen vielleicht sogar Freundschaften unter unseren geliebten Tieren?  Diese Fragen ließen sich leicht beantworten, würde sich so mancher „Befehlshaber“,  statt lediglich online diverse Internettipps zu diskutieren, einmal wortwörtlich vom hohen Ross herunterbewegen und mindestens einen kompletten Tag  beobachtend  bei seinen Tieren verbringen. Wäre mal einen Versuch wert, oder ?

Nehmen wir mal diese Kombination (Partnerschaft versus Kontrolle) unter die Lupe:

Unter Kontrolle in der Partnerschaft verstehen wir, dass wir unseren Partner überwachen,  über ihn bestimmen wollen - wir unterdrücken Verhalten, verhindern Gefühle. Vertrauen ist das Gegenteil von Kontrolle, denn Vertrauen macht frei. Es befreit das Herz und entfaltet Möglichkeiten.
Manche Menschen streben, bisweilen auch unbewusst, nach Macht und das bedeutet Einfluss durch Kontrolle. Diese gehört zu einem von 8  Mechanismen, die ich Partnerschaftskiller nenne, denn sie sind Beziehungskiller. Sie sind bewusstes und unbewusstes Verhalten, die einen Weg zu einer guten Partnerschaft sabotieren, oft sogar unmöglich machen, obwohl Menschen, wie auch  Pferde  von Geburt an beziehungsfähig sind. Das Gefühl der Verbundenheit ist ein Grundbedürfnis für soziale Wesen. Die Bindung ist wichtig zum Überleben und doch findet ein Boykott statt. Ein Erkennen der Ursache der Probleme, ist schon ein ganz großer Schritt in Richtung erfüllte Partnerschaft.

Die 8 größten Hürden in jeder Partnerschaft

Eingeprägte Verhaltensmuster werden zum Kernproblem im Beziehungsprogramm, das jeder unbewusst mit sich trägt. Die Störung zu erkennen, hilft deiner Partnerschaft mit deinem Pferd auf die Sprünge. Wie kein anderes Wesen spiegelt dein Pferdepartner diese Strategien.

Partnerschaftskiller Nummer Eins: KONTROLLE
Kontrollsucht entsteht durch Besitzdenken & Misstrauen. Liebe kontrolliert nicht und gesteht dem Partner Freiheiten zu. Zur Kontrolle nimmt man das Pferd an die kurze Leine und versucht es zu dressieren, ihm die eigenen Bedürfnisse abzutrainieren. Der Grund für den Wunsch, im wahrsten Sinn des Wortes, stets alles zu 100% im Griff zu haben, ist immer die eigene Angst. Das Wort Angst kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „Enge“ ; und mit Enge kann unserer klaustrophobischer Equide nichts anfangen. Eine Einengung des Anderen blockiert seine jeweilige Entfaltung und ist somit das Gegenteil von Liebe. Echte Beziehungsqualität entsteht ausschließlich durch Freiheit & Vertrauen.

Partnerschaftskiller Nummer Zwei: MANIPULATION
In funktionierenden Beziehungen wird der Andere niemals vorsätzlich manipuliert, man lässt ihn gelten wie er war, wie er ist und wie er sein wird. Ein guter Trainer versucht ein Pferd niemals gegen seinen Willen in ein System zu zwängen, das dem Pferd widerstrebt. Er nimmt es höchstens an der Hand und zeigt ihm Möglichkeiten, in etwas Neues hineinzuwachsen und sich weiter zu entwickeln. Er arbeitet an der Potenzialentfaltung. Das Gegenteil davon nennt man Dressur oder  Erziehung.  Man zieht sprichwörtlich so lange am Anderen herum, bis er so zurecht gezogen wurde, wie es einem selbst passt. Wenn dann vor lauter Ziehen die Beziehung  zerreißt, ist das Geschrei meist groß. Eine qualitativ hochwertige  Verbindung aufzubauen heißt, dem Anderen so viel Vertrauen und Wertschätzung zu geben, bis er bereit ist, sich im eigenen Tempo und aus freier Entscheidung weiter zu entwickeln. The horse will tell you... sagte ein alter Meister.

Partnerschaftskiller Nummer Drei: BEDINGUNGEN
Freundschaft ist bedingungslos, Partnerschaft sollte es auch seien.  Wenn Gefühle an eine Bedingung gebunden sind z.B.  „Nur wenn....- dann habe ich dich lieb“, dann ist keine nachhaltige, ehrliche Basis vorhanden, dann pflegst du keine Beziehung, sondern Handel.  Denn dieser funktioniert mit „Wenn-Dann-Bedingungen“. Hier spielen auch die Traumvorstellungen eine große Rolle. Man kauft sich einen edlen Rappen und sieht sich im romantischen Outfit zäumungsfrei über Blumenwiesen galoppieren.  Und in Wirklichkeit lässt sich der sture Bock nicht  einmal die Hufe auskratzen, ohne zu scheuen. Dieses Tier kann man nicht lieben, oder ? Sollte man aber, wenn man eine solide Partnerschaft leben will, an der man erst achtsam arbeiten muss.

Partnerschaftskiller Nummer Vier: NEGATIV FOKUS                           
Wir Menschen mussten in Vorzeiten zum Überleben auf das Negative sofort reagieren. So ist der Negativfokus geblieben, schau mal in die Nachrichten!  Beim Pferd ist so auch der Fluchtreflex entstanden und bis heute noch erhalten. Was passiert bei den meisten Reitern mit einer (noch) schlechten Beziehung , wie begegnen sie ihrem Pferd, wenn es beim vorherigen Miteinander Stress gab, etwas schief gelaufen war. Hat der Mensch jetzt die positiven Eigenschaften im Kopf oder denkt er an den Buckler, an den Sprung zur Seite, an den Biss oder Tritt? Ehrlich, wer geht da wieder zu seinem Hottie und denkt, ach ja, er hat mich zwar runtergebuckelt, aber die Biegung war toll, die Parade hat auch so gut funktioniert wie noch nie?  Das ist sehr schwierig, hier muss man über seinen eigenen Schatten springen. In so einer Situation müssen wir lernen, ein guter Partner zu sein und ganz bewusst eine positive Herangehensweise pflegen.

In diesem Fall können wir die bisweilen ungute „selbstverwirklichende  Prophezeiung “ zu unseren Gunsten nutzen.  Denke ich  z.B. an Negatives, wie Durchgehen, dann ziehe ich dieses Verhalten wieder an, denn mein Körper bereitet sich unbewusst auf diese Gefahrensituation vor. Diese negativen Schwingungen der Anspannung übertragen sich auf's Pferd. Da meine Bilder im Kopf also eine unglaubliche Wirkung auf Körper+Geist haben, ist es erstaunlich wirksam, seinen Fokus auf Positives zu konzentrieren, sich also vor dem inneren Auge bereits das harmonische Miteinander vorzustellen, sich darin einzufühlen.

Partnerschaftskiller Nummer Fünf: DRUCK                                       
Nimm den Druck aus der Beziehung. Kleine Schritte auf dem Weg zu einer Traumpartnerschaft. So klein, dass kein Druck spürbar ist. Nimm den Druck deiner Erwartungen aus eurem Zusammensein.  Erkenne, ernte und schätze die kleinsten Glücksmomente.  Das Lernen erfolgt auf Nachlassen von Druck; der Druck an sich bewirkt nichts außer Gegendruck, als natürliche Reaktion des Pferdes. Ständiger Druck zerstört die Partnerschaft. Der ständige Druck beschert dir im besten Fall einen funktionierenden Roboter, bis bei diesem u.U. die Sicherungen durchbrennen.  Druck versklavt und tötet das Selbstwertgefühl unserer Tiere. Man sieht es in ihren Augen.                                                              
Das Gegenteil ist Motivation. Es ist der positive Weg, den wir gemeinsam durchschreiten wollen. Eine Partnerschaft auf Augenhöhe entsteht ohne einseitiges Herumgezerre mit sanfter verständlicher Führung, wie bei Tanzpartnern die sich aufeinander einlassen und aufeinander verlassen können und nur dadurch mit Leichtigkeit gemeinsam über das Parket schweben.

Partnerschaftskiller Nummer Sechs: PARTIELLE WERTSCHÄTZUNG
Zwischen  „gut“ und „gut gemeint“ gibt es einen großen Unterschied. Wir Menschen sind Gewohnheitstiere und unsere Pferde auch. Vieles wird schnell zur Normalität, auch die Dinge über die wir uns in der Vergangenheit riesig gefreut haben. Daraus folgt eine mangelnde Achtsamkeit für die „normalen“ positiven Dinge, man fällt in die Bequemlichkeit, es als gegeben zu betrachten. So erleben wir es oft in unserem täglichen Leben. Wir nehmen unsere Gesundheit als selbstverständlich hin,  bis wir sie nicht mehr haben. Es ist nicht selbstverständlich, dass routiniertes Verhalten ein Leben lang automatisch gut klappen muss. Oft ändern sich die Umstände und nichts geht mehr! Wichtig ist, auch das gewöhnliche Verhalten bewusst wertzuschätzen (loben, belohnen), statt die Devise zu leben „nichts gesagt ist genug gelobt“. Auf diese Weise wächst die Qualität der Beziehung. Pferde sind unglaublich achtsam, sie leben im hier und jetzt, deshalb reagieren gerade sie sehr fein auf diese Empfindungen.

Partnerschaftskiller Nummer Sieben: ROSAROTE BRILLE
In sein Pferd verliebt sein und sein Pferd lieben sind zweierlei Paar Reiterstiefel. Ähnlich wie in einer Mensch-/Menschbeziehung sind Schmetterlinge im Bauch die natürliche  Betäubung  unseres Hormonhaushaltes, der einen am Anfang einer Beziehung über die vermeintlichen Fehler des Anderen hinweg sehen lässt. So tüddelt sich manch ein Pferdebesitzer am Anfang durch die Pferdebeziehung, bis die Partnerschaft augenscheinlich nicht mehr funktioniert.  Aber wirklich lieben heißt, die Fehler des anderen zu kennen und sich darauf einzulassen.  Das Pferd trotz seiner Schwächen und Fehler zu lieben!

Partnerschaftskiller Nummer Acht: DEFIZIT-AUSGLEICH
Viele Reiter suchen sich ein Pferd, dass ihnen das geben soll, was ihnen selbst fehlt. Vertrauen, Sicherheit, Liebe, Wärme, Stärke, Schnelligkeit, Sportlichkeit...   Im Volksmund: Gegensätze ziehen sich an! Es ist nicht die Aufgabe eines Pferdes, ein Defizit das man in sich trägt  auszugleichen. Man muss mit sich selbst glücklich und im Reinen sein, dann kann man es auch mit einem Partnerpferd werden.  Es wird zwangsläufig auf eine Katastrophe für beide Beteiligten hinauslaufen, wenn das Pferd uns stützen muss. Natürlich kann der Umgang mit dem Tier viele positive Gefühle auslösen und glücklich machen. Es ist aber nicht unsere  Beziehungskrücke.                                                       Die goldene Brücke besteht darin, beiderseitig etwas zu geben und dann miteinander zu teilen, statt einer starren  Erwartungshaltung und der daraus resultierenden Enttäuschung, wenn das Wunschdenken nicht erfüllt wird.

Wir müssen zum Motivationstrainer unserer Pferde werden.  Unsere Tiere sollen gerne mit uns zusammen sein und unsere Berührungen annehmen wollen. Sie müssen sich auf uns verlassen können und die Möglichkeit haben, sich uns aus Ihrer freien Entscheidung anzuschließen. Ist so eine  Zusammenarbeit mit gegenseitigem Respekt entstanden, dann stehen die Tore zur Traumpartnerschaft weit geöffnet!

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