Ausgewogene Berichterstattung sieht u. E. anders aus. Zu schade, daß in dem Artikel nicht ein/e ReiterIn zu Wort kommt. Es liest sich, als würden ab sofort die Pferdeleute abgehobene Privilegien genießen. Doch weit gefehlt: lediglich eine 23 Jahre währende Ausgrenzung wird aufgehoben!

"Sachsen will Waldwege für Roß und Reiter freigeben

Sonderweg markierter Strecken soll bald enden / Übrige Waldnutzer sehen enorme Risiken

Von Gabi Thieme und Winfried Mahr

LEIPZIG. Reichlich 10.000 Reiter in Sachsen können womöglich noch in diesem Jahr deutlich mehr Waldwege unter die Hufe nehmen als bisher. Denn der Freistaat plant eine Änderung des sächsischen Waldgesetzes: Hoch zu Roß soll künftig auf allen geeigneten Wegen erlaubt sein - und ohne die bisherige Reitplakette.

Wander- und Tourismusverbände kritisieren den Vorstoß und sehen diverse Risiken. Bisher durften Roß und Reiter nur dort unterwegs sein, wo der Waldweg mit einem Schild markiert war. Entstanden dem Waldbesitzer auf seinen Wegen Schäden, konnte er sie dokumentieren und beim Freistaat eine Kostenübernahme beantragen. Der nutzte dafür einen Topf, in den die Reiter jedes Jahr einzahlten: Indem sie für zuletzt zehn Euro pro Jahr eine Reitplakette erwarben. Diese mußte gut sichtbar am Zaumzeug angebracht werden.

Laut Umweltministerium kamen so pro Jahr 40.000 Euro Einnahmen zusammen. Für die Beseitigung von Schäden wurden jährlich jedoch nur zirka 10.000 Euro beantragt - drei Viertel der Mittel also gar nicht abgerufen. „Das hat uns veranlaßt, eine Gesetzesänderung zu empfehlen“, erklärt Utz Hempfling, Referatsleiter im Umweltministerium. Demnach sei geplant, das Reiten auf allen geeigneten Wegen zu erlauben. Außer auf solchen, die nicht breit genug sind - damit sich Fußgänger, Radfahrer und Reiter gefahrlos begegnen können.

Debatte um Zukunft der Reitabgabe

„Vorgesehen ist ferner ein Wegfall der Reitabgabe“, so Hempfling. Denn das bisherige Gesetz regelt, daß die Einnahmen langfristig die Kosten für Instandsetzungen nicht übersteigen dürfen. Genau das sei aber seit geraumer Zeit der Fall. Die Reitabgabe sei eine Sonderabgabe, keine Steuer. "Die darf man nur erheben, wenn sie tatsächlich notwendig ist. In Sachsen steht also ihre Rechtmäßigkeit in Frage.“

Sachsen schwenkt damit nach vielen Jahren auf den Kurs ein, für den sich längst fast alle anderen Bundesländer entschieden haben. Der nun vorliegende Kabinettsbeschluß zur Änderung des Waldgesetzes soll im Zuge der Haushaltsgesetzgebung für die Jahre 2015/16 erfolgen, voraussichtlich im April. Zuvor läuft ein Anhörungsverfahren, bei dem sich betroffene Verbände und Vereine, wie Waldbesitzer, Jäger, Naturschützer und natürlich die Reiter äußern können. Der Sachgebietsleiter der Forstbehörde des Vogtlandkreises, Kay Oertel, hält das Verfahren, wonach bisher Geld für Instandsetzungen beim Umweltministerium beantragt werden mußte, für „viel zu aufwendig und kompliziert". Er plädiert nicht grundsätzlich für eine Abschaffung der Reitabgabe, sondern dafür, daß das Geld auch für andere Instandsetzungen und Reparaturen, wie Baumschnitt entlang der Wege, eingesetzt werden kann. „Und es sollte von vornherein bei den Landkreisen verbleiben, also dort, wo es ausgegeben wird.“

Der Verband der privaten Waldbesitzer in Sachsen kann die Vorfreude der Reiter auf mehr Auslauf nicht teilen. „Wir sind für die Beibehaltung der bisherigen Regelung, aber das Antragsverfahren für die Gelder muß vereinfacht werden“, sagte Vorstandsmitglied Günter Lempe aus Pfaffroda im Erzgebirge. Die Mittel aus der Reitplakette würden nicht abgerufen, weil das Verfahren viel zu umständlich sei, nicht weil es keine Schäden gebe. Außerdem beinhalte der neue Entwurf viel zu viele Einschränkungen und Ausnahmen. „Strikt gegen eine solche Gesetzesänderung“ ist Heidemarie Matthes vom sächsischen Wandersportverband aus Glauchau. Die Verbandspräsidentin erinnert daran, daß Sachsens Wanderer und Bergsportler schon vor Jahren Unterschriften gegen den drohenden Beritt aller Wege gesammelt hatten, woraufhin die Gesetzesnovelle gekippt wurde.

Widerstand vom Landesjagdverband

„Viele Wanderwege wurden in den zurückliegenden Jahren unter erheblichem Aufwand saniert und ausgeschildert", springt ihr Bernhard Müller, der Wegewart fürs Erzgebirge, bei. Zertretene sowie nachhaltig zerstörte Wege und Pfade wären nach seiner Ansicht die Folge flächendeckender Reittouristik. „Auch die Begegnung zwischen Wanderern und den scheuen Pferden ist keineswegs unproblematisch“, so der Wanderfreund. Zwar sollen schmale Wege und Pfade für Reiter ausgeklammert werden, „doch wer legt denn fest, ab welcher Breite sich Mensch und Pferd gefahrlos begegnen können?“.

Auch bei Andrea Kis vom Landestourismusverband hält sich die Begeisterung in Grenzen. „Die bisherige sächsische Regelung ist völlig ausreichend: Ein klar ausgewiesenes Netz von Reitwegen gibt sowohl Reitern als auch Waldbesitzern ein Höchstmaß an Sicherheit.“ Werde diese Infrastruktur ohne Not aufgegeben, „dann könnte der jeweilige Eigentümer die Nutzung auch ganz verbieten“, warnt die Touristikerin. Reitwege könnten also wegfallen oder im Nirvana enden - von Strafen bei Verstößen ganz zu schweigen.

Auch der Landesjagdverband ist gegen die Änderung des Waldgesetzes. „Aus unserer Sicht hat sich die bisherige Regelung zum Reiten im Wald bewährt“, sagt Geschäftsführer Steffen Richter. „Sie sollte daher grundsätzlich beibehalten werden.“ Wenn das Reitwegegebot wegfalle, könne es zu Konflikten mit anderen Erholungssuchenden, beispielsweise Mountainbikern oder Geocachern, kommen. „Das kann durchaus gefährlich werden“', warnt Richter. Zwar gelte immer der Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme: ,,Kein Jäger wird also bei Sichtbarkeit von Reitern einen Schuß abfeuern. "Allerdings erinnert der Waidmann noch an eine weitere Regel: „Jagd gehört zum Wald - das Betreten des Waldes erfolgt dagegen auf eigenes Risiko. Reiter haben also stets mit dem Jagd-Risiko zu rechnen.“

HINTERGRUND - Reiten in Sachsen

Die Nachfrage nach touristischen Angeboten rund ums Pferd ist stetig gestiegen. Der Reittourismus wird auch in Sachsen als ein Marktsegment mit Zukunft gesehen. Vom Reiturlaub im noblen Sporthotel über den Bauern oder im Reiterhof mit Übernachtung im Heu bis hin zu vielfältigen Veranstaltungen reicht bereits die Angebotspalette. Zuletzt wurde im Freistaat ein Bestand von 25.000 Tieren gezählt. Zur touristischen Infrastruktur für den Reitsport in Sachsen gehören mehr als 6.500 Kilometer Reitwege. Davon führen 3.800 Kilometer durch Wälder. Das dichteste Netz von Waldreitwegen hat der Landkreis Bautzen mit 670 Kilometern Länge, gefolgt vom Erzgebirgskreis mit rund 640 Kilometern. Der Vogtlandkreis und der Landkreis Mittelsachsen halten sich mit je 340 Kilometern etwa die Waage."

 

Soweit die "etwas" einseitige Auslegung der Redakteure. Frau Thieme schrieb als freie Mitarbeiterin auch für andere sächsische Tageszeitungen ähnliche Artikel. Steffen Schlott, Wanderreitbeauftragter der VFD, formulierte dazu folgenen Leserbrief. Fraglich ist, ob und wann selbiger veröffentlicht wird:

"Endlich miteinander

„Hilfe - die Reiter kommen“ – fast so liest sich der Artikel in der LVZ vom 11.2.2015 zur geplanten Änderung des Waldgesetzes für den Freistaat Sachsen. Daß die Freizeitreiter das Ende der Wald- und Wanderwege, der wirtschaftliche Ruin der 70.000 sächsischen Waldbesitzer, Pferde eine schreckliche Gefahr für andere Waldbesucher und die Vergrämer des sächsischen Wildbestandes sein werden, darf getrost bezweifelt werden. Die Pferdedichte liegt in Sachsens Wald bei 1 Pferd auf 18 Hektar Waldfläche im Vergleich zu Nordrhein Westfahlen mit 1 Pferd auf 3 Hektar. Interessant wären die Zahlen der Wanderer und Radfahrer.

Nach § 14 Bundeswaldgesetz sind unter anderem das Radfahren und das Reiten im Wald auf Straßen und Wegen gestattet und demnach vom Gesetzgeber als selbstverständliche Betätigungsformen anerkannt. Reiter konnten bisher im sächsischen Wald zwar Reitwege beantragen, hatten jedoch weder einen Rechtsanspruch auf bestimmte Wege noch auf eine bestimmte Wegeoberfläche. Ein flächendeckendes Reitwegenetz gibt es im Gegensatz zum Wander-/Radwegenetz seit Einführung des Sächsischen Waldgesetzes vor über 20 Jahren nicht. Und im Gegensatz zu Wanderern und Radfahrern wurden Reiter im Wald über die Reitplaketten behördlich registriert und mit einer Abgabe belegt, um damit erhebliche Wegeschäden, die vereinzelt durch die Kanalisierung auf Reitwege entstanden, sanieren zu können. Gut war, daß das Geld zweckgebunden beantragt werden musste und jedem Waldbesitzer zustand, wenn er erhebliche Wegeschäden durch Reiter nachweisen konnte. Dies war natürlich seitens der Forstbehörde unter Beteiligung der Reiter zu prüfen. Denn die Reitwege wurden nicht durch die Reiter für die Waldbewirtschaftung unbrauchbar, sondern bei der Holzrückung zerfahren und mitunter durch tiefe Reifenspuren unbereitbar.

In welchem Verhältnis Aufwand und Nutzen der bisherigen Reitregelungen im Wald stand, zeigte die Stellungnahme des Sächsischen Rechnungshofes für die Abschaffung der Reitabgabe. Welches wirtschaftliche Potential das Pferd und der Reittourismus dagegen bieten können, haben andere Bundesländer längst erkannt. 4 Pferde sichern einen Arbeitsplatz, in Sachsen stehen 25.000 Pferde. In einer wissenschaftlichen Studie der Firma BTE Berlin/Hannover über die Problemlösung von Reitregelungen heißt es außerdem: „Interessant ist, daß über 70% der Befragungsteilnehmer der Aussage zustimmen, daß Reiter, Radfahrer und Spaziergänger allgemein gut miteinander auskommen.“

Kein Reiter ist gegen befristete und begründete behördliche Wegesperrungen, wenn diese alle Waldbesucher betreffen, beispielsweise aus Gründen der Waldbewirtschaftung, des Naturschutzes oder der Jagd. In der Umgebung von Reiterhöfen lassen sich sicher Wege für Reiter finden, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, aber bitte endlich auf einer Seite. Sachlich miteinander reden kann Spannungen abbauen, an den Reitern wird dies nicht scheitern. Über Begegnungen mit Reitern freuen sich übrigens viele Wanderer und manche legen dabei sogar ihre Scheu gegenüber Pferden ab."

 

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