von Fachbuchautorin Michaela Maluche
Reiten nimmt als Hobby eine Sonderstellung ein. Nicht nur, weil wir dabei eine sehr enge Bindung zum Tier aufbauen und diese Sportart so vielseitig ist. Nein, vor allem deswegen, weil wir dieses Hobby nicht nur mit dem Pferd, sondern auf dem Pferd betreiben. Damit Reiter dem Pferd eine „angenehme Last“ sind, müssen einige wichtige Punkte beachtet werden.

Beim Pferd
Der Pferderücken ist anatomisch schon dafür geeignet, Gewicht zu tragen. Aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Wenn wir das Pferd überfordern, es falsch belasten oder nicht korrekt sitzen, können wir ihm Schmerzen oder gar dauerhafte Schäden zufügen. Um dies zu vermeiden, muß das Pferd aus dem Kindesalter herausgewachsen sein, eine vielseitige Ausbildung durchlaufen haben und sich in einem guten Trainingsstand befinden. Dass Sattel, Trense und weitere Ausrüstungsgegenstände perfekt passen müssen, versteht sich von selbst. Soweit die Grundvoraussetzungen. Aber Muskeln können sich sehr schnell zurückbilden. Daher ist es wichtig, das Pferd regelmäßig einem vernünftigen, abwechslungsreichen und logisch aufgebauten Training zu unterziehen, welches Kondition und die nötigen Muskeln aufrecht erhält.

Ein Pferd unausgebunden und ohne Erarbeitung von zumindest den ersten 3 Punkten der Ausbildungsskala Takt, Losgelassenheit und Anlehnung an der Longe seine Runden drehen zu lassen, hat nichts mit Training zu tun. Wenn ein positiver Effekt eintreten soll, muß das Pferd „über den Rücken gehen“, d.h. von hinten nach vorn an das Gebiss herantreten, mit aufgewölbtem Rücken, dem Genick als höchsten Punkt und der Nasenlinie vor der Sernkrechten. Der Schwerpunkt des Pferdes soll sich immer mehr in Richtung Hinterhand verlagern, und dort soll auch das Gewicht des Reiters übernommen werden. Ich habe schon viele Diskussionen mit Reitschülern auf Privatpferden geführt, die nicht einsehen wollten, warum ihr Pferd eine bestimmte Haltung unter dem Reiter einnehmen soll. Frei lebende Pferde würden ja schließlich auch mit hohem Kopf laufen. Das ist richtig, aber da muß der Rücken eben kein zusätzliches Gewicht tragen. Also, schonendes Reiten bedeutet auf keinen Fall, das Pferd mit Ausbindern oder Hand in eine bestimmte Haltung oder Form zu zwingen. Vielmehr soll das Pferd im Laufe der Ausbildung Selbsthaltung und das Gehen mit Reitergewicht im Gleichgewicht erlernen. So bekommt es an den richtigen Stellen wie Halsoberlinie, Rücken, Lendenpartie, Hinterhand usw. Bemuskelung und kann das zusätzliche Reitergewicht schonend tragen.
 
Beim Reiter
Die Ausbildung des Pferdes allein reicht jedoch nicht aus, denn wenn der Reiter keinen losgelassenen Sitz hat, nützt auch die stärkste Muskulatur nichts. Der Reiter muß also ebenfalls „trainieren“ und etwas für Haltung, Muskulatur und Technik tun. Nur so kann er ausbalanciert sitzen und den Bewegungen des Pferderückens geschmeidig folgen. Er darf nicht den Bewegungsfluß stören oder dem Pferd in den Rücken fallen. 
  
Der Reiter kommuniziert mit dem Pferd in erster Linie über Körpersignale. Er gibt Hilfen mit Gewicht, Schenkeln und Händen. Die Stimme sei in diesem Zusammenhang außer acht gelassen. Wenn er seinen Körper und seine Bewegungen nicht unter Kontrolle hat, kann er dem Pferd nicht die richtigen oder gar keine Hilfen geben. Um gut reiten zu können, muß der Reiter also als erste Voraussetzung seinen eigenen Körper „im Griff haben“, nämlich seine Haltung und die Koordination seiner Bewegungsabläufe. Durch überwiegendes Sitzen während des Tages in Büro oder Schule und zu einseitige Nutzung der Muskelgruppen bildet sich unsere Muskulatur mit der Zeit ungleichmäßig aus. Wenig gebrauchte Muskeln werden schwach und sind weniger belastbar. Die logische Folge davon ist eine in irgendeiner Form nicht optimale Körperhaltung, die zu mehr oder weniger bemerkbaren Bewegungsstörungen bis hin zu Haltungsschäden führen kann. Wenn der Reiter
 
-          im täglichen Leben auf korrekte Körperhaltung achtet,
-          Ausgleichssport betreibt,
-          regelmäßig guten Reitunterricht erhält,
-          sich in theoretischen Kenntnissen weiterbildet,
-          das passende Pferd hat und
-          Gefühl fürs Pferd und seine Bewegungen entwickelt,
 
sind seine Chancen, einen guten losgelassenen Sitz zu bekommen, sehr gut.
Der Reitersitz ist eine Mischform zwischen Sitzen und Stehen. Wenn wir uns auf den Boden stellen und leicht in die Hocke gehen, können wir den Sitz imitieren. Wir können vor einem Spiegel prima sehen, ob wir „im Lot“ sind, d.h. in unserem Schwerpunkt fest auf beiden Füßen stehen und sich der Körper darüber aufrecht ausbalanciert. Dahinter steckt schon im Stand auf dem Boden eine Menge Muskelarbeit. Auf dem sich bewegenden Pferd wird’s noch schwieriger.
 
Vor ein paar Jahren hatte ich das Glück, die Demonstrationen des australischen Trainers Richard Weis für die FN dolmetschen zu dürfen. Die Vorführungen mit verschiedenen Reitern, unter anderem aus dem DOKR/BLZ, drehten sich genau um dieses Thema. Es war faszinierend zu sehen, wie Korrekturen der Reiter-Haltung auf dem Boden die Reiter auch auf den Pferden wesentlich geschmeidiger sitzen und die Pferde besser gehen ließen. (Das handout dieser Auftritte ist unter www.richardweis.com eingestellt und sehr lesenswert.)
 
Neben Haltungsschwierigkeiten, die aus Fehlbelastung entstehen, können auch grundlegende anatomische Probleme, z.B. an Hüfte oder Wirbelsäule, Probleme beim Sitz bereiten. Diese sind natürlich nicht einfach weg zu trainieren und müssen vielleicht dauerhaft akzeptiert werden. Von Problemen dieser Art sollte der Reitlehrer in Kenntnis gesetzt werden.
 
Wenn im günstigsten Fall Pferd und Reiter optimal ausgebildet und trainiert sind und eine harmonische Einheit bilden, dann beginnt das Reiten erst richtig Spaß zu machen. Und es ist sehr schön anzusehen…
 
Weitere Informationen zu Michaela Maluche und ihren Aktivitäten sowie Veröffentlichungen gibt es unter http://www.pferdebesitzer.info.
 

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