Hufkurs für Pferdebesitzer mit Andrea Keuchel

Kurs auf dem Hof Cesovic in Sehnde

„Kein Huf ist wie der andere“

Wieso müssen die Hufe meines Pferdes gepflegt werden?


Es passiert immer wieder, man ist auf einem gemütlichen Spaziergang im Wald und plötzlich hat man einen Stein im Schuh, der unangenehm pickst. Um dem zu entgehen versucht man eine Schonhaltung einzunehmen und mit dem Fuß nur da aufzukommen, wo nicht der kleine kantige Stein liegt. Das Ergebnis ist, dass man seine Füße ungleich belastet, in der ganzen Wirbelsäule schief wird und über den Schmerz auch noch die Emotionen angesprochen werden, welche die Laune runterziehen.

Weil man mit den getragenen Schuhen jetzt nur noch Schmerz verbindet, müssen neue Schuhe her – ein lang gesuchter Grund zum Shopping ist nun endlich gefunden. In seinem Lieblingsgeschäft probiert man alle möglichen Schuhe aus - große, kleine, breite und schmale und man stellt immer wieder fest: Die Schuhe bestimmen das Gangbild und nur in passenden Schuhen hat man Lust sich zu bewegen. Bei unpassenden Schuhen würde man am liebsten keinen Schritt mehr machen, am schlimmsten ist es dann noch, wenn man sich bei der Größe nicht entscheiden kann und zur Probe nun einen Schuh in der größeren und einen Schuh in der kleineren Größe anzieht – einen rechts und einen links. Rechts ist der Schuh viel zu klein und drückt vorne unangenehm an die Zehen, deshalb zieht man den Fuß ein wenig zusammen, wodurch man sich bis zu den Rückenmuskeln anspannt. Links ist der Schuh zu groß und man rutscht von vorne nach hinten. Aus Angst, dass der Schuh gleich wieder vom Fuß fällt traut man sich gar nicht ihn richtig vom Boden zu lösen und schlürft auf der Seite nur ein wenig hinter dem anderen angespannten Fuß hinterher.

Wenn wir nun noch überlegen, was alles unseren Körper maßgeblich beeinflusst, sind dass die Dinge, die wir unserem Körper innerlich und äußerlich hinzufügen. Dinge die wir dabei beeinflussen können, sind z.B. Ernährung, Medikamente, das Bett, der Schreibtischstuhl und die Schuhe.
Die meiste Zeit unseres Lebens sitzen wir auf einem Stuhl, liegen in einem Bett oder stehen in Schuhen. Gut passende Schuhe sind also ein wichtiger Faktor für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Niemand möchte gerne unpassende Schuhe tragen und falls er dies nicht umgehen kann, verzichtet er wenigstens freiwillig auf jegliche Bewegung. Eine Alternative zu den Schuhen bietet natürlich auch das Barfuß-Laufen, was sogar wesentlich gesünder für die Fußmuskulatur ist und Krampfadern wirksam vorbeugt.

Im übertragenen Sinne auf das Pferd bedeutet dies, dass es unzumutbar ist, von einem Pferd im Training etwas zu verlangen, bevor nicht abgesichert ist, dass die Hufe in einem vernünftigen Zustand sind. Jegliche Gymnastizierung hat erst dann einen Sinn, wenn das Pferd vier „passende Schuhe [/Hufe]“ an hat. Wenn die Hufe schon ungleich sind, ist eine gleichmäßige Belastung für das Pferd unmöglich und Losgelassenheit kann man nur mit einem Pferd erreichen, welches sich über die Bewegung freut und nicht mit einem, welches bei jedem Schritt Schmerz im Rücken verspürt, weil sich die Ungleichheit der Hufe im Bein, in der Schulter und damit in der ganzen Wirbelsäule ausbreitet. Hufe sind also ein wichtiges Thema und da wir für unsere Pferde verantwortlich sind, sollten wir uns mit den Basics beschäftigen– wenigstens so weit, dass wir beurteilen können, ob unser Hufschmied/-in bzw. Hufpfleger/-in die Hufe unseres Pferdes vorteilbringend pflegt. Im Gegensatz zu der Wildnis, in welcher die Pferde früher lebten, sind unsere Bodenverhältnisse nämlich nicht optimal, entweder stehen unsere Pferde auf weichem Boden und die Hufe werden zu lang, oder sie laufen viel über Asphalt, was eine große Abnutzung der Hufe zur Folge hat. Sie haben nicht die Möglichkeit ihre Hufe optimal zu nutzen. Zusätzlich wachsen die Pferdehufe in der Natur abhängig vom Futterangebot zu den verschiedenen Jahreszeiten unterschiedlich schnell, was in perfekter Übereinstimmung mit der Abnutzung steht. Wir passen jedoch unser Training im seltensten Fall dem Hufwachstum an und halten unsere Pferde oft in einer Haltungsform, wo sie sich erstens zu wenig bewegen und zweitens auf zu einseitigem Boden laufen. Es gibt nur wenige Ställe, wo die Bodenverhältnisse der Wildbahn nachgeahmt und genug Bewegungsanreiz gegeben wird, wodurch die Hufpflege reduziert werden kann.

Als ich am Abend las, dass bei dem nächsten Hufkurs mit Andrea Keuchel kurzfristig ein Platz freigeworden ist, war mir klar, dass ich daran teilnehmen möchte, um meine große Lücke zum Hufwissen zu schließen – gerade als zukünftige Tierärztin sicherlich noch einmal von doppelter Priorität. Bereits die Kursbeschreibung hat mir schon sehr zugesagt und mich in meinen Gedanken bestätigt: „Stabile Hufe sind die Grundvoraussetzung für ein langes und gesundes Pferdeleben; dazu braucht ein Pferd regelmäßige Hufpflege. Regelmäßige Hufpflege versteht Andrea Keuchel als sinnvolle Gesundheitsversorgung, die ein Pferd in seiner natürlichen Funktion als Lauftier unterstützt.“ Voller Vorfreude und Spannung bin ich an diesem Sonntag in mein Auto gestiegen und bin kurz darauf- nach nur einem kleinen nicht geplanten Umweg – auf dem Hof Cesovic in Sehnde angekommen.

Der theoretische Teil

Der Kurs begann mit einer kurzen Begrüßung und einer kleinen Ansprache zu den organisatorischen Dingen. Wir saßen anfänglich in einer Garage, wo verschiedene Präparate bereit standen und Andrea Keuchel uns über den Aufbau des Hufes aufklärte, später hat uns die wärmende Sonne jedoch raus gelockt, wo wir dann den praktischen Teil des Kurses durchgeführt haben.

Die innere Anatomie wurde sehr anschaulich dargestellt, da verschiedene Präparate mitgebracht und behandelt wurden. Durch diese visuelle Darstellung waren die Inhalte auch für Anfänger immer gut zu verstehen .Am Anfang wurden verschiedene Begriffe zum Huf gesammelt, die danach sortiert, erklärt und an einem Bild beschriftet wurden. Zusätzlich wurden hier noch die verschiedenen möglichen Krankheiten benannt, die bei den einzelnen Komponenten auftreten können. Diese sind im folgendem aufgelistet:

  • Die Hufsohle ist von einer Tragwand umrandet, auf welcher das Pferd laufen soll. Das Pferd darf nicht auf der Hufsohle laufen, da diese auf das Hufbein drückt.
    - Hinweis zur Hufpflege: Ausreichend Tragrand belassen!
  • Das Hufgelenk wird von drei Knochen gebildet, dem Hufbein, dem Strahlbein (darunter Schleimbeutel) und dem Kronbein.

Das Hufbein weißt zahlreiche Löcher zur Blutversorgung der Lederhaut auf. Der Hufbeinträger (elastische Verbindung zwischen Hufbein und Hornkapsel) funktioniert ähnlich wie ein Reißverschluss, bei dem die Lamellen ineinander über greifen. Bei einer Rehe ist dieser Hufbeinträger kaputt, wodurch das Hufbein absinken kann.
- Hinweis zur Hufpflege: Das Ziel ist es den Hufbeinapparat stabil zu halten und eine möglichst kleine Belastung auf den Hufbeinträger zu erhalten.

  • Die Hufwand besteht aus einer äußeren, pigmentierten Wand und einer inneren, unpigmentierten Wand (Waterline). Die unpigmentierte Wand ist weicher, härtet nach der Bearbeitung jedoch nach.
    - Hinweis zur Hufpflege: Wir können bei unserer Bearbeitung bis zur unpigmentierten Wand gehen (dies ist nicht die weiße Linie!).
  • Nach der unpigmentierten Wand kommt die weiße Linie , welche ein wenig gelblich und von der Konsistenz her fusselig ist.
    - Hinweis zur Hufpflege: Nur in Ausnahmefällen wird bis zur weißen Linie geraspelt, im Normalfall ist das die Tabu Zone!
  • Die Zehe ist der Bereich vor dem Strahl.
    - Hinweis zur Hufpflege: Die Zehe sollte nicht zu lang sein, da sich der Abrollpunkt sonst zu weit nach vorne verlagert.
  • Der Hufballen liegt caudal des Hufes und geht bis zu dem Übergang zu Fell und Haut
    - Hinweis zur Hufpflege: Ballenbereich nicht bearbeiten.
  • Der Strahl hat eine dämpfende Funktion. Er besteht aus weichem Horn, worüber ein Strahlkissen (knorpeliger Bereich) liegt. In einem idealen und gesunden Huf nimmt der Strahl viel Platz ein und hat die Konsistenz wie ein „Gummibärchen nach zwei Jahren hinter der Heizung“. Wenn der Strahl nicht gut zu erkennen ist und zerfällt können dies Symptome einer Strahlfäule sein.
    - Hinweis zu Hufpflege: Nicht zu viel vom Strahl entfernen, wenn dieser gesund ist (sprich keine Strahlfäule).
  • Die Trachte soll sich öffnen und die Enden sollen gerade nach hinten zeigen und keine Zange bilden. Wenn eine Falte zwischen den Trachten zu sehen ist, ist das ein Zeichen für Trachtenzwang.
    - Hinweis zur Hufpflege: Das Ziel ist es die Falte zu öffnen und bis zur breitesten Stelle des Strahls zurück zu raspeln.
  • Die Hornwand verläuft ab der Trachtenecke als Eckstrebe zum Strahl hin.
    - Hinweis zur Hufpflege: Eckstreben auf Sohlenniveau bringen.
  • Der Huf wächst so aus dem Kronsaum raus wie er „sein soll“, optimal gerade und harmonisch
    - Hinweis zur Hufpflege: Der Kronsaum dient zur Orientierung und wird vor jeder Bearbeitung einem analytischem Blick unterworfen.

Neben der inneren Anatomie wurden uns noch weitere spanende Know-Hows mit auf dem Weg gegeben. Wusstet ihr zum Beispiel, dass die Hufe auch als die „vier Herzen“ des Pferdes bezeichnet werden? Das ist darauf zurückzuführen, dass die Hufe einen Pumpmechanismus (wie das Herz) aufweisen, womit Blut transportiert wird. Beim Aufsetzen öffnet er sich hinten und geht vorne zusammen, er ist also in sich erstaunlich beweglich.

Aber wieso sieht der Huf so aus wie er aussieht?
„Alles was der Huf macht sind Stabilisierungsmaßnahmen! Jede Struktur hat eine Funktion.“

Nach dieser theoretischen Einführung hat man bereits einen guten Überblick über das Innenleben des Hufes bekommen und dem praktischen Teil stand nichts mehr im Wege. Nach einer kurzen Blickschulung, in der wir die einzelnen Hufbestanteile aus der Theorie am echten Huf angeschaut haben, ging es gleich ans Werk und jeder Teilnehmer durfte einen Huf selbst bearbeiten – selbstverständlich stets unter dem kritischen Blick von Andrea Keuchel.

Der praktische Teil

Zu unserer eigenen Sicherheit haben wir eine Schutzhose ausgeliehen bekommen, Handschuhe mussten mitgebracht werden.
Unser Werkzeug hat fast einem Pediküre Set geglichen: Es gab eine Nagelbürste, eine Nagelpfeile, eine Nagelzange und eine Nagelschere. Leider ist die richtige Namenskultur bei Hufpflegern eine etwas andere, die Funktion ist aber ableitbar -
Hufauskratzer und Drahtbürste (Funktion einer Nagelbürste), Zange (F. einer Nagelzange), Hufmesser (F. einer Nagelschere) und als Zusatz noch einen Bock, auf welchem man den Hufabsetzen konnte. Wenn man diesen Bock nicht gerade in Benutzung hat, kann man alternativ entweder den Huf zwischen die Beine klemmen (der Vorteil ist hierbei, dass man nun beide Hände zur Bearbeitung frei hat) oder mit der dem Pferd zugewandten Hand festhalten und mit der anderen den Huf bearbeiten.

Wir haben die Hufe in acht Schritten bearbeitet:

  1. Sauber machen
    Den Huf mit Hilfe des Hufauskratzers und der Drahtbürste säubern und auch kleinste Steinchen entfernen. Jedes Sandkorn schädigt das Werkzeug.
  2. Blick und Fühl Kontrolle
    Betrachtung des Hufes aus allen Blickrichtungen (vorne, unten drunter, seitlich). Ist der Huf vom Kronsaum aus gerade herausgewachsen? Wie weit ist der Tragrand ausgebildet?
    Wenn der Kronrand innen höher ist, wird innen ein höherer Wandüberschuss vermutet und genauso auch andersrum.
    Erklärung: Wenn der Huf an einer Stelle zu lang wird hat er zwei Möglichkeiten – entweder staut er sich hoch (am Kronrand erkennbar) oder er schiebt sich weg (bei der Betrachtung von der Unterseite des Hufes erkennbar). Neben der reinen Blickkontrolle ist es sinnvoll die Konsistenz des Hufes mit den Fingern zu erspüren, bevor man mit der Bearbeitung anfängt. Dabei sollte der Ballen möglichst fest sein und der Strahl einen Wiederstand wie ein „Gummibärchen“ aufweisen. Das Strahl- und Hufpolster kann man übrigens gut trainieren, indem man das Pferd viel bewegt und über harten Boden laufen lässt.
  3. Eckstreben bearbeiten

Die Eckstreben müssen mit dem Messer auf Sohlenniveau gebracht werden. Zur eigenen Sicherheit ist es hierbei sinnvoll das Messer mit beiden Händen zu bedienen, um ein Weggleiten zu verhindern. Wichtig ist hierbei, dass immer nur dünne Scheiben abgeschnitten werden, hierbei wurde der sehr passende Vergleich mit dem Käse schneiden verwendet.

  1. Fläche herstellen
    Als nächstes wird der Wandübergang bearbeitet. Hierbei wird der Tragrand von innen nach außen geraspelt, aber ein Tragüberstand belassen, damit das Pferd nicht auf der Sohle läuft (sonst Gefahr einer Lederhautentzündung). Die Sohle dient also als Maß für die Bearbeitung! Bei der Bedienung der Raspel ist es wichtig zu wissen, dass sie nur einseitig raspelt. Den meisten Erfolg erlangt man hierbei, wenn man mit der Raspel nur leicht mit lockeren Armen über den Huf streichelt, ohne Druck auszuüben. Außerdem sollte die Raspel möglichst flach angelegt werden.
  2. Gleiche Wanddicke herstellen
    Falls die Tragwand zum Beispiel auf der inneren Seite eine andere Wanddicke aufweist, als auf der äußeren Seite, kann man auch dies mit der Raspel angleichen
  3. Zehe bearbeiten
    Für die Bearbeitung der Zehe muss der Pferdehuf auf einen Bock gestellt werden. Die Höhe des Bocks richtet sich nach der Höhe des Karpalgelenks.

In einem 45 Grad Winkel wird nun die Zehe mit der Raspel im Bereich der unpigmentierten und pigmentierten (nicht bei der weißen Linie!) Wand bearbeitet. Die Zehe sollte möglichst kurz sein (umso kürzer, desto kleiner der Hebel), um die Last beim Abfußen möglichst klein zu lassen, den Abrollpunkt nach hinten zu verschieben und ein Verbiegen zu verhindern

  1. Wand abstrecken
    Auch beim nächsten Bearbeitungs-Schritt wird der Pferdehuf auf einen Bock gestellt. Nun wird der Verlauf der Wand wieder richtig hergestellt und Verbiegungen weggeraspelt. Je mehr Verbiegungen der Huf aufweist, desto stärker ist der Hebel, weshalb diese dringend korrigiert werden müssen
  2. Strahl schneiden
    Als letztes wird der Strahl mit einem Messer bearbeitet. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, wenn man zu tief kommt, kann es passieren, dass man eine Kapillare trifft und ein paar Tropfen Blut kommen. Wenn der Strahl rosa ist sollte man sowieso spätestens aufhören zu schneiden, da man sich dann kurz vor der Lederhaut befindet. Wenn er jedoch schwarz ist, ist es ein Zeichen von Strahlfäule und der „Gammel“ kann mit dem Hufmesser entfernt werden.

Vor dem Seminar habe ich gedacht: „So heute lerne ich das ABC der Hufpflege, dann wäre das auch abgehakt“, jetzt weiß ich: Die Hufe sind ein viel größeres und komplexeres Thema, als ich es mir vorgestellt habe. Es gibt bei der Bearbeitung sogar verschiedene Lehren nach denen man arbeiten kann, verschiedene Werkzeuge und sogar eine Technik, bei der man mit Maßstab nachmisst. Nach dem eintägigen Kurs habe ich viel neues Wissen mit nach Hause nehmen dürfen, genauso jedoch viele neue mir bewusst gewordene Wissenslücken. Ich freue mich sehr über alles, was ich an diesem Tag dazu lernen durfte, ein großes Dankeschön an dieser Stelle an Andrea Keuchel!

Achtung: Diese Kursbeschreibung reicht als Anleitung nicht aus, um selbst Hufe bearbeiten zu können. Zuvor ist es dringend Ratsam selbst an einem Kurs teilgenommen zu haben, um die Hufbearbeitung auch einmal in der Praxis erlebt zu haben.

Autorin:
Ayrin – Sophie Piephoh
von GyAy - Liebe zeigt den Weg
Weitere Blogartikel unter https://www.gyay.de

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