Viele Pferdekenner befürchten eine panikartige Reaktion ihrer Tiere, wenn diese auf einen oder mehrere Wölfe treffen. Dabei wird gerade dem Geruch viel Bedeutung beigemessen: Die Annahme ist, dass Pferde bei Wolfsgeruch scheuen und ausbrechen bzw. durchgehen könnten.

Verhalten von Pferden bei Wolfswahrnehmung

Hierzu gibt es bereits klärende Fakten, eine weitere genaue Untersuchung ist aber wünschenswert. In Dänemark vorgenommene Versuche (Christensen et al. 2008) haben gezeigt, dass Pferde auf den Geruch von Wolfsurin oder -haaren hin keine Panik zeigen, sie nehmen den Geruch wahr, aber selbst physiologische Reaktionen wie Herzfrequenz und Blutdruck verändern sich nicht signifikant. Ähnliche Einschätzungen geben auch Pferdespezialisten unter den Verhaltensforschern der Tierärztlichen Hochschule Hannover ab (Bohnet 2015, pers. comm.). Dr. Willa Bohnet, Biologin und stellvertretende Leiterin des Institutes für Tierschutz und Verhalten der Tierärztlichen Hochschule Hannover: „Pferde sind sehr wehrhafte Tiere, die nicht nur defensive Aggression (zum Beispiel Ausschlagen mit den Hinterbeinen), sondern bevorzugt auch offensives Aggressionsverhalten gegenüber potentiellen Angreifern/Bedrohern zeigen. Zur offensiven Aggression gehören zum Beispiel schnelle Annäherung mit tiefer Kopf-/ Halshaltung, „Blecken“ der Zähne (Zurückziehen der Lippen) mit Beißintention und gezieltes Verfolgen des Angreifers.“ Erfahrungen zeigen, dass eine Begegnung mit einem Wolf sich nicht von Begegnungen mit streunenden Hunden unterscheidet.

Sollte uns ein Wolf auf Ausritten begegnen sind folgende Tipps zu beherzigen:

  • Ruhe bewahren! Keinesfalls fluchtartig davongaloppieren,
  • Pferde nebeneinander (als Einzelreiter auch allein) den Wölfen zugewandt aufstellen, damit die Pferde die Wölfe sehen können.
  • Um die Pferde nicht zu beunruhigen, keinesfalls in die Hände klatschen oder mit den Armen wedeln.
  • Sollten die Wölfe sich nicht gleich entfernen, sollte man im Schritt langsam auf die Wölfe zu- oder an ihnen vorbeireiten.
  • Auf keinen Fall sollten die Wölfe verfolgt werden, zum Beispiel um Fotos zu machen.
  • Wenn ein Hund beim Ausritt dabei ist, sollte beachtet werden, dass Wölfe Hunde als Konkurrenten im Territorium wahrnehmen könnten. Hunde sollten im Wolfsgebiet angeleint werden und am Pferd und Menschen bleiben.
  • Glöckchen im Risikogebiet! Mit den Glöckchen dürfte man kaum noch einen Wolf zu sehen bekommen. (Prävention)
  • Trotz aller Vorsicht: Das es eine absolute Sicherheit nicht geben kann, muss allen bewusst sein. Das gilt für das Zusammenleben mit wilden Tieren genauso wie für den Umgang mit Haus-, Nutz- oder Zootieren.

Das folgende Video zeigt in beispielhafter Weise, wie diese Empfehlungen in der Praxis umgesetzt werden können.

Es wurde von Tove Muhrbeck, einer Hobbyreiterin aus Stockholm, im Jahr 2017 aufgenommen. Sie arbeitet als TV-Journalistin. 

Tove Muhrbeck erzählt in einem Interview mit dem VFWPW die Geschichte hinter ihrer Begegnung mit dem Wolf: Link

Erkenntnisse des NINA Reports „Wolf attacks on humans: an update for 2002–2020“

Wölfe sind nach EU-Recht und Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt. Im Interesse der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit können Wölfe jedoch vergrämt, gefangen oder getötet werden. Die Sicherheit der Bevölkerung steht bei der Abwägung der durch Behörden angeordneten Maßnahmen immer an erster Stelle. Grundsätzlich muss jeder einzelne Fall auch gesondert bewertet werden. Eine generelle Bejagung würde das Auftreten von Wölfen mit problematischem Verhalten nicht verhindern. Einem solchen Verhalten liegen i.d.R. individuelle positive Erfahrungen eines Wolfs mit Menschen zugrunde, wie etwa durch beabsichtigtes oder unbeabsichtigtes Anfüttern.

Eine genaue Beobachtung und fachkundliche Bewertung des Verhaltens eines möglicherweise auffälligen Tieres ist wichtig. Läuft etwa ein Wolf bei Tag in Sichtweite von Ortschaften oder Einzelgehöften oder bei Nacht direkt an Ortschaften vorbei oder durch diese hindurch, besteht beispielsweise kein Handlungsbedarf. Dies gilt auch für Wölfe, die nicht sofort beim Anblick von Menschen und Autos flüchten, sondern zunächst stehen bleiben und beobachten. Mit der zunehmenden Anzahl von Wölfen in Deutschland liegt es nahe, dass mehr Menschen die Tiere zu Gesicht bekommen. Außerdem ist es in unserer dichtbesiedelten Kulturlandschaft selbstverständlich, dass auch Siedlungen in den rund 250 km² großen Revieren von Wölfen liegen.

Wird ein Wolf mehrfach in einer Entfernung von weniger als 30 m von bewohnten Häusern über einen längeren Zeitraum beobachtet, verlangt dieses Verhalten Aufmerksamkeit. Welche Ursachen gibt es für das Verhalten, hat der Wolf z.B. gelernt menschliche Nahrung zu erhalten? Als Konsequenz kann ggf. versucht werden, das Tier zu vergrämen, sprich z.B. durch den Beschuss mit Gummigeschossen oder Lärm zu verscheuchen.
Zeigt ein Wolf sogar aggressives Verhalten gegenüber Menschen ohne vorhergehende Provokation, wird dieser aufgrund dieses gefährlichen Verhaltens in der Regel sofort getötet.
In vielen Wolfsmanagementplänen und Empfehlungen des Bundesamts für Naturschutz gibt es schon Vorgaben, in welchen Situationen Vergrämungsmaßnahmen stattfinden sollten. Diese müssen konsequent umgesetzt werden, um eine Habituierung des Wolfs und damit Angriffe auf Menschen zu verhindern.

Unter dem Titel „Mit dem Wolf leben – aber wie?“ hat der Deutsche Wanderverband (DWV) zum Tag des Wolfes am 30. April 2020 ein Positionspapier erarbeitet. Das DWV-Positionspapier stellte 2020 fest, dass Wolfsbegegnungen auch in Gebieten mit etablierten Rudeln extrem selten seien, gefährliche Kontakte mit aggressiven Hunden oder Wildschweinen viel wahrscheinlicher.

Quellen:
Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU): Stellen Wölfe eine Gefahr für Pferde dar?
Auf dem Rücken von Pferden den Wölfen folgen
Informationsbroschüre "Pferd und Wolf" vom evipo Verlag
Angriffe von Wölfen auf Menschen: Eine Aktualisierung des NINA Reports für 2002 bis 2020
Orginalstudie https://brage.nina.no/nina-xmlui/handle/11250/2729772
BfN-Skripten 502 (2018): Konzept im Umgang mit Wölfen, die sich Menschen gegenüberauffällig verhalten – Empfehlungen der DBBW Link/PDF

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