Überflieger im Stall Schwalben als nützliche Untermieter VON JUTTA OVER 

Mitte April kommen die ersten Schwalben aus Afrika zurück, wo sie den Winter südlich der Sahara verbracht haben. Vom langen, entbehrungsreichen Flug sind sie entkräftet. Geraten sie dann in eine Kälte- oder Regenperiode wie in diesem Jahr, haben die Vögel es besonders schwer. Manche müssen in Südeuropa notlanden und kommen nicht weiter. Andere, die es bis nach Deutschland geschafft haben, leiden Hunger, weil Regen und Kälte verhindern, dass sich Insekten in der Auftriebsluft aufhalten. Eine Überlebensstrategie solcher Zugvögel ist die Standorttreue: Unbeirrt kehren sie zu ihrem vorjährigen Nistquartier zurück, wo sie hoffen können, dass wieder genügend Baumaterial fürs Nest, Nahrung und ausreichender Witterungsschutz vorhanden sind. Leider gehen immer mehr Nistplätze verloren, durch Renovierungsmaßnahmen oder Abriss, durch moderne, glatte Fassaden, an denen die Nester nicht haften, durch Umstrukturierung der Landwirtschaft.

Lehm zum Nestbau ist nötig Auch das Umfeld hat sich verändert: Hofzufahrten, Dorfplätze und Feldwege werden versiegelt, Radwege geschottert, sodass die Schwalben keinen feuchten Lehmboden zum Nestbau gewinnen können. In der ausgeräumten Agrarlandschaft werden blütenreiche Wiesen und Feldraine immer seltener, genau dort aber gäbe es ausreichend Insekten zu erbeuten. Die beiden gebäudebrütenden Schwalbenarten, Mehlschwalbe und Rauchschwalbe, gehen in ganz Deutschland im Bestand zurück.

Offenställe bieten ein gutes Umfeld Besonders schwierig scheinen Schutzmaßnahmen für Rauchschwalben zu sein, da sie im Inneren von Gebäuden brüten und stark auf die Toleranz der Menschen angewiesen sind. Umso erfreulicher ist es, dass diese traditionellen Glücksbringer zunehmend Unterschlupf in den Offenställen der Freizeit- Pferdehalter finden. In einem Offenstall kommt vieles zusammen, was einen guten Lebensraum für Rauchschwalben ausmacht zumindest, wenn er einige zugluftfreie Bereiche aufweist: Es gibt Nistplätze in Winkeln, auf Simsen oder unter Dachbalken. Es gibt Insekten, angelockt von Körperwärme und Exkrementen der Pferde, und das auch bei schlechter Witterung. Und es gibt in der Regel offenen Boden in unmittelbarer Nähe, rund um die Pferdetränke, an Durchgängen, auf den Trittpfaden.

Mit Schwalben gegen Stechinsekten Auch die Pferde profitieren von den Untermietern: Während einer einzigen Brutzeit vertilgt eine Schwalbenfamilie ein Kilogramm Insekten, das entspricht rund 250 000 Mücken, Fliegen und Bremsen.

Rauchschwalben beziehen gern ihre alten Nester wieder. Meist stehen zunächst Reparaturen an: Der Rand kann beschädigt sein, denn im Vorjahr haben sich dort drei bis sieben Heranwachsende gedrängt, um bei der Futterübergabe nicht zu kurz zu kommen. Ist allerdings der Boden herausgebrochen, kann das Nest nicht repariert werden Schwalben mauern immer von unten nach oben. In diesem speziellen Fall darf das alte Nest entfernt werden, damit wieder Platz für einen Neubau ist. Ansonsten ist das Entfernen von Schwalbennestern gesetzlich verboten. Rauchschwalben können in einer Saison mehrere Bruten großziehen, benutzen dazu aber nicht unbedingt dasselbe Nest. 

Vorsicht, Brandgefahr durchs Nest Schwalben nutzen am liebsten kleine Vorsprünge als Stütze für die Nestgründung: ein aufgerolltes Kabel, eine Glühbirne, ein Stromverteilerkasten. Auf Neonröhren wird immer wieder gern gebaut. Sogar ein an der Stallwand hängendes Radio wurde schon als Nestunterlage verwendet. Wer den Schwalben den Nestbau erleichtern und sie gleichzeitig von Lampen oder Leitungen ablenken möchte, kann kleine Simse oder Nistbrettchen an geeigneten Stellen anbringen. Auch spezielle Kunstnester aus Holzbeton oder Ton können angeboten werden. Im Gegensatz zu Mehlschwalben sind Rauchschwalben keine Koloniebrüter. Die angebotenen Nistplätze sollten möglichst zwei Meter voneinander entfernt sein und keinen Sichtkontakt ermöglichen. Da viele Schwalbenpaare zwei oder dreimal pro Saison brüten allerdings nicht immer im selben Nest ist eine größere Auswahl an Nistplätzen immer sinnvoll. In alten Nestern können Parasiten überwintern, etwa Schwalbenlausfliegen (nicht identisch mit Pferdelausfliegen), erkennbar als schwarze Kügelchen. Kunstnester sollten daher alle zwei bis drei Jahre gereinigt werden. Das Material für den Nestbau ist feuchter, lehmiger Boden. Zur Festigung mischt die Schwalbe trockene kleine Gräser oder Strohreste unter die Masse.

Pferde-Langhaar ist gefährlich Auch Schweifhaare von Pferden werden verwendet, die wie Lametta von der Nistmulde herabhängen. Dies kann allerdings leider dazu führen, dass sich die Vögel mit den Füßen in den Haaren verfangen und nicht wieder loskommen. Ganz verhindern kann man solche Unfälle nicht, aber manchmal hilft ein Kontrollblick in die Nester, um einen Pechvogel noch rechtzeitig zu befreien. Die feuchte Bodenstelle zur Lehmgewinnung sollte nicht weiter entfernt sein als 300 Meter, denn sonst trocknet das Material im Schnabel zu sehr aus und das Nest wird bröckelig. Auch wenn der Boden zuviel Sand oder Torf (Moorboden) enthält, kann das Nest bei zunehmender Belastung durch die rasch wachsenden Jungvögel von der Wand brechen. Hier kann Abhilfe geschaffen werden, indem man Lehm an offenen feuchten Stellen einbringt oder mit Hilfe von Folie oder einer flachen Wanne eine Lehmpfütze anlegt und dauerhaft feucht hält. Sollte ein Nest tatsächlich einmal abfallen, ist es am besten, die Jungvögel in einen kleinen Pappkarton zu setzen und den Karton möglichst nah an der Stelle des abgebrochenen Nestes wieder anzubringen. Die Altvögel füttern in der Regel weiter. Jungvögel dürfen angefasst werden, sie scheuen den Menschengeruch nicht. Allerdings hat man festgestellt, dass sie empfindlich auf Rauchgeruch reagieren. Raucher sollten daher lieber Handschuhe anziehen. An Stellen, wo die Kleckerei stört, bietet es sich an, ein Kotbrettchen unter dem Nest zu befestigen. Dieses sollte möglichst mit 50 Zentimetern Abstand unter das Nest gehängt werden, damit der freie Anflug nicht behindert wird und sich Nesträuber wie Marder oder Elstern oder auch die Stallkatzen nicht daraufsetzen. Der Naturschutzbund führt in den meisten Bundesländern Projekte zum Schwalbenschutz durch. Menschen, die Schwalben in ihren Gebäuden brüten lassen, werden für diesen wichtigen Beitrag zum Artenschutz mit einer Plakette Hier sind Schwalben willkommen und einer Urkunde ausgezeichnet. Außerdem bietet der NABU detaillierte Anleitungen zum Bau von Nisthilfen, Kotbrettchen und Lehmpfützen. Mehr Information: Link Diplom Biologin Jutta Over, war NABU-Projektleiterin Schwalben willkommen in Niedersachsen. 

03/13 Pferd & Freizeit

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