Herdenschutzkonferenz 2022 – Das länderübergreifende LIFEstockProtect Projekt bot zwei Tage (21.-22.11.2022) ein online Programm mit Praktikern, Projekten und Gesprächsrunden an. Schwerpunktthema war der Herdenschutz in der Rinder- und Pferdehaltung, denn Herdenschutz ist bei Schaf- und Ziegenhaltung schon länger präsent als bei Haltern größerer Weidetiere. 

Unmittelbaren Einblick in einen Pferdebetrieb im Wolfsgebiet gab Verena Elscher vom Heide-Trail Dolle. Sie betreibt mit ihrem Mann eine Pensions- und Wanderreitstation in Sachsen-Anhalt. 20 Pferde leben hier zeitweise auch mit Fohlen bei Fuß. Auf dem benachbarten Truppenübungsplatz sind derzeit zwei Wolfsrudel mit insgesamt sieben Alt- und Jungtieren und neun Welpen für das Monitoringjahr 2020/21 dokumentiert. "Auf dem Betrieb werden die Weiden bestmöglich durch Stromzäune nach Herdenschutzvorgaben gesichert. Auch im Gelände gab es noch keine Zwischenfälle." berichtete Frau Elscher während ihres Vortrags. Herdenschutzkonferenz 2022

Interview mit Prof. Dr. Peter Schmiedtchen (GzSdW) und der Wanderreitstation Heide Trail Dolle im Frühjahr 2022: 

Liebe Verena, lieber Michael! Könnt Ihr für unsere Leser Eure Geschäftsidee beschreiben? Heide Trail 2

In der Colbitz-Letzlinger-Heide haben wir uns unseren Traum vom „Ponyhof“ erfüllt. 2017 sind wir durch die Landgesellschaft auf das Grundstück gestoßen. Da wir unsere Pferde und die Pensionspferde so artgerecht wie möglich halten wollten, haben wir uns für einen Paddock-Trail entschieden, was bedeutet, dass die Pferde dauerhaft im Herdenverband leben und die Wege des Paddock-Trail von Unterstand, zu Wasser und zum Heu abgehen müssen. Dabei legen sie auf einer Fläche von ca. 3 ha täglich mehrere Kilometer zurück. Neben der Pensionspferdehaltung haben wir auch einige Ferienzimmer und begrüßen Urlauber und Wanderreiter auf unserer Anlage. 

Als Ihr nach Colbitz-Letzlinger Heide gekommen seid, wusstet Ihr, dass es seit 2011 in den umliegenden Wäldern Wölfe gibt? 

Uns hat das passende Grundstück nach Dolle und damit in die Heide gezogen. Über die Wölfe in der näheren Umgebung haben wir im Zusammenhang mit dem Heide-Trail nicht explizit nachgedacht, das war kein Thema für uns.  Hattet Ihr schon einmal eine Begegnung oder Probleme mit Wölfen? Wir sind im Sommer 2018 mit den ersten Pferden hierher gezogen. Seitdem haben wir weder bei uns noch auf unseren Ausflügen und Ausritten jemals Sichtkontakt mit Wölfen gehabt. Dafür aber mit Wildschweinen, Rehwild, Füchsen, Kranichen usw. Die Natur hier ist einfach idyllisch und wir können gut verstehen, dass sich auch Wölfe hier wohlfühlen. 

Könnt Ihr bei Euren Pferden eine besondere Unruhe feststellen? Immerhin befinden sich in ca. 500 Metern von Euren Koppeln Rendezvous-Plätze der Wölfe. Heide Trail 1

Richtige Unruhe bei den Pferden gibt es vor allem zu Silvester. Das kennen sicher nicht nur Pferdebesitzer ;) Aber Spaß beiseite: Sicher hört man nachts mal Hufgetrappel, doch welche Ursache dafür verantwortlich ist, ist schwer zu sagen. Wir haben hier relativ viel Wind und dann sind die Pferde oft aufgeregter als bei Windstille. 

Wie reagieren Eure Gäste und Kunden, wenn sie erfahren, dass es hier Wölfe gibt? 

Bisher können wir bei den Gästen keine große Aufregung feststellen. Ein Übergriff auf eine Schafherde im letzten Jahr in der Nachbarschaft sorgte für Unruhe bei den Einstellern. Da heißt es dann selber Ruhe bewahren. Wir prüfen die Zäune regelmäßig. Das ist das, was wir tun können.  Es gab dann auch Vorschläge ein Alpaka anzuschaffen. Die sollen wohl sehr wehrhaft sein.  

Auch die Überlegung, einen Herdenschutzhund anzuschaffen, stand im Raum, ist aus unserer Sicht aber für einen Pferdepensionsbetrieb nicht praktikabel. 

Bleibt also nur, den Zaun gut im Auge zu behalten. Uns ist aber auch bewusst, dass viele private Pferdehalter gar nicht die Möglichkeit haben, einen wolfssicheren Zaun aufzustellen. Hier klaffen Baurecht und Wolfsschutz auseinander. Die meisten Pferdehaltungen werden im Außenbereich betrieben und dort darf nur gebaut werden - auch ein wolfssicherer Zaun - wenn man privilegierter Landwirt ist. Selten erreicht man als Privatperson eine Baugenehmigung im Außenbereich. Da muss die Politik einfach aktiv werden. 

Anmerkung der VFD: Bei Hindernissen wie Naturschutzfragen oder Unklarheiten im Baurecht (Niedersächsische Staatskanzlei, 2020) bitte an die Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!schreiben.

Ihr reitet mit Euren Kunden regelmäßig durch die umliegenden Wälder. Hattet Ihr hier schon Wolfsbegegnungen? Sind Eure Kunden wegen möglicher Begegnungen besorgt? 

Bisher hatten wir keine Wolfsbegegnungen und auch noch von keinem der Wanderreiter diesbezüglich eine Meldung. Wer mit Pferden in der Natur unterwegs ist, ist sich sicher inzwischen bewusst, dass es Wölfe in den Wäldern gibt und die Zahl der Tiere zunimmt. 

Ihr habt Eure Pferde durch 5 elektrifizierte Litzen geschützt. Wieviel Meter solcher Schutzzäune habt Ihr verbaut? 

Wir haben ca. 800 m Außenzaunlänge. 

In der „Reiter Revue“ (02/2022) behauptet der Leiter des Hauptstadt-Büros der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, Herr Bernhard Feßler, dass für die Bestromung der Litzen „alle 25 bis 40 Meter ein neuer Stromgenerator eingesetzt werden muss, um die Stromstärke über den gesamten Zaun zu erhalten“. Wie viele solcher Weidezaungeräte (korrekte Bezeichnung) habt Ihr für Eure Zäune im Einsatz? 

Wir haben den Außenzaun über 1 Gerät der Marke „Weidewächter Matrix Evo“ abgesichert. 

Um die unterste Litze funktionsfähig zu halten, muss sie ständig von Bewuchs freigehalten werden. Wie hoch ist Euer Arbeitsaufwand dafür? Wieviel Zeit bringt Ihr insgesamt für die Zaunpflege auf? 

Für die Zaunpflege geht schon eine Menge Zeit drauf. Einmal ringsum dauert fast einen Arbeitstag. Zumal es Stellen gibt, die nur schwer maschinell zu erreichen sind. Momentan schneiden wir alles mit dem Freischneider.  

Das letzte Jahr war eine echte Herausforderung für uns. Wir hatten so viel Regen und damit Wiesenaufwuchs, dass wir fast jede Woche schneiden mussten. Nicht einmal die Pferde haben es geschafft, alles abzuweiden. 

Anmerkung der Redaktion:  

Der “Heide Trail” liegt an der “Schnittstelle” der Territorien von zwei Wolfsrudeln – hier ein Foto des nördlichen Rudels. In nur zwei Kilometer Entfernung befinden sich von den Wölfen häufig frequentierte Wege. Den Vorschlag eines Einstellers, Alapakas zum Schutz der Pferde einzusetzen, haben Verena und Michael inzwischen verworfen. Sie setzen vielmehr auf die Pflege ihres Zaunes. 

Mit Unterstützung der GzSdW haben Verena und Michael zwei Wildkameras an der zum Wald gelegenen Zaunseite angebracht, um eventuelle Annäherungen von Wölfen an den Zaun zu dokumentieren. Bisher – Fehlanzeige. 

Fazit: Pferdehaltung in Wolfsgebieten ist möglich. 

Kommentar der GzSdW: 

Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass Alpakas als Herdenschutztiere kaum geeignet sind. Sie sind selbst immer wieder Opfer von Wolfsübergriffen. Die GzSdW unterstützt z.B. einen Alpaka-Halter, der seine wertvollen Tiere mit Herdenschutzhunden schützt. Herdenschutzhunde können auch in Pferdebetrieben mit Pensionspferden eingesetzt werden, wenn sie von Beginn an entsprechend sozialisiert worden sind. Sie können, entsprechende Anleitung vorausgesetzt, durchaus unterscheiden zwischen “Tagbetrieb” mit Publikumsverkehr und “Ernstfall nachts”, bei dem Eindringlinge vertrieben werden. 

Original-Quelle: Link

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